Sonntag, 26. Februar 2012

Kleines Spiel mit großem Aha.

Wer sich selbst genug Spieltrieb bewahrt hat, wird mitunter früher oder später auf ein kleines Spielchen zurückgreifen wollen. In Zeiten von Flashgames und Multi-Plattform Minigames á la Angry Bird gehen häufig genug Spieltiefe und Vielfalt der Spielerfahrungen sowie das daraus erwachsende Potenzial für besondere Momente verloren. 

Einen solchen Moment durfte ich heute erleben, nachdem ich mal wieder in den Regalen der alternativen Spielkonzepte von Steam stöberte und dort auf das frei spielbare MMORPG "Realm of the Mad God" von Wild Shadow stieß. Für alle, denen MMORPG wie eine schwer heilbare Krankheit oder der Lustschrei von Klingonen klingt, gibt es hier den Wissenslückenverschluss. Für alle anderen wird vielleicht das Spielkonzept interessant sein, da bereits hier erste Besonderheiten ins Spiel kommen. Neben der inzwischen schon beinahe obligatorischen Retro-Grafik in Grob-Pixel-Verschnitt fällt auf, dass man im Spiel zwar rudimentär Items kaufen kann, jedoch selbst gefundenes Gut nicht gegen Penunzen los wird, sondern ausschließlich tauschen kann. Da man hierbei jedoch kein Gold tauscht, muss man die benötigten Moneten für die Kaufitems mit echtem Geld erwerben - also Mikrotransfers im Spiel, wodurch der freie Charakter des Spiels etwas verwässert wird (wer sich hierzu eine ältere Diskussion anschauen möchte...). Das gute Dutzend an Klassen lässt sich vergleichsweise schnell bis auf das höchste Level von 20 bringen, schaltet auf dem Weg dahin mehr als nur die anfangs einzige Klasse frei. Jedoch kann man grundsätzlich kostenfrei nur einen Charakter spielen. Sobald man mit einem Charakter stirbt, ist dieser auch sofort, dauerhaft und mausetot. Diese als Hardcore in anderen Spielen bekannte Schwierigkeit hat eine Reihe von Konsequenzen. Erstens gewöhnt man sich entweder gar nicht erst an einen Charakter und sammelt viele Items, oder man ist extrem vorsichtig. Als einzige Schnittstelle zwischen den Charakteren kann man in einem Vault kostenfrei 8 Slots in einer Truhe mit gefundenen Items füllen. Beim Tod eines Charakters wird anhand der Spielleistung sogenannter "Fame", also Ruhm berechnet, welcher danach ebenfalls als Währung zur Verfügung steht und es ermöglicht, z.B. Gilden intern zu gründen.

Ohne weiter auf Details der ansonsten recht flachen Spielwelt und -weise eingehen zu wollen, komme ich gleich mal zum Kern des heutigen Moment des Tages. Da es beim Töten von Monstern Erfahrungspunkte gibt und jeder Spieler in einem bestimmten Umkreis die gleiche Erfahrung bekommt, wie Monsterbezwinger, lässt sich der Vorteil, in einer Gruppe unterwegs zu sein kaum überbewerten. Stehen also 10 Leute im gleichen Quadranten und nur einer kämpft, kriegen 9 nicht nur keinen Schaden, sondern das Monster verteilt damit auch 10mal so viel Erfahrung insgesamt wie beim schnöden Einzelkämpferdasein. Hinzu kommen noch Partyeffekte wie Heil- und andere Zauber bestimmter Klassen. Kurzum, allein kämpfen ist extrem ineffektiv. Problematisch hingegen ist, dass man keine echten Gruppen bilden kann, wie z.B. aus Diablo 2 gewohnt. Außerdem ist die Kommunikation per Chat in dem doch recht schnellen Spiel unzureichend. 

Nun passierte heute Folgendes: auf der einzigen Ringstraße, die quer durch die Spielewelt führt, fing eine kleine Gruppen von Spielern an, gemeinsam Monster zu metzeln. Dabei stellten sie fest, dass die Koordination der Richtung viel einfacher lief, wenn man auf der Straße blieb. Nicht nur gab es dort nichts, woran man hängen bleiben konnte, auch gab es für die Richtung nur 2 Optionen: vorwärts oder rückwärts. Das alles passierte vermutlich komplett ohne Kommunkation, sondern allein als "Evolution" des Teamplays. Während diese Gruppe die Straße entlang lief, schlossen sich immer mehr Spieler an, bis schließlich eine Traube von etwa 30 Spielern als Pulk im Kreis die Monster in dieser Welt metzelte.

"Train"-Bildung in Realm of the Mad God

Dabei war einerseits die Chance, dass ein Spieler starb absolut minimal und andererseits die Gesamterfahrung der Gruppe maximal. Natürlich bleibt bei dieser Vorgehensweise nachteilig, dass man sich nur mit Monstern an und auf der Straße beschäftigen kann, sowie die Tatsache, dass die Geschwindigkeit des Mobs sehr groß war, so dass es fast keine Chance gab, gedropte Items einzusammeln, da man sonst zurückfiel und nicht mehr in den Genuss des Gruppenbonus kam. Charakteristisch war die Bezeichnung dieser Spielart von allen Mitspielern als Zug, denn genau danach sah es aus. Grundsätzlich ist es aber noch viel mehr, nämlich ein dezentral gesteuertes Schwarmverhalten. Jeder weiß um den Vorteil, in der Gruppe zu sein und diese Gruppe formiert und bewegt sich mit dieser einfachen Prämisse absolut ohne über die Reaktion der Einzelmitglieder hinausgehende Kommunikation. Ein wenig hatte man den Eindruck, in einem Heuschreckenschwarm unterwegs zu sein. 

Diese immer wieder faszinierend zu beobachtenden Formen der Adaption und Exploitation von Regeln in Spielen vor allem bei der Interaktion vieler Spieler ist in meinen Augen schon fast ein eigenes Forschungsfeld wert, da man hier ideale Bedingungen für Experimente von Sozial- und Gruppenverhalten vorfindet. Andere können natürlich auch einfach nur das Spiel spielen. ^^ 

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